Der Untertage-Marathon in Sondershausen

bickendorf_josef_1

Verfasst von Josef Bickendorf für Running TV Bedburg

Am Freitagnachmittag mache ich mich auf den Weg nach Sondershausen, zum tiefsten Marathon der Welt. Ich habe mir ein Hotelzimmer gebucht und bei der Anreise kann ich die schöne Landschaft Thüringens so richtig genießen denn in einem endlosen Stau schleiche ich nach Sondershausen. Der Ort ist einfach einen Besuch wert mit seiner tollen Fußgängerzone, einem Schloss, einem Brunnen auf dem Marktplatz, und, und, und…… Am Abend wird mir dann auch noch etwas ganz besonderes bewusst, ich habe ihn gefunden, den Ort an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Aber was soll’s, bin ja schließlich zum Laufen unter Tage hier, feiern kann man überall, nur halt nicht hier.

Am Sonntag stehe ich wie immer früh auf, gehe um 7:00 Uhr zum Frühstück, mache mich um kurz vor 8:00 Uhr auf den Weg zur Zeche und muss feststellen dass selbst die Sonne Sondershausen vergessen hat. Es sind frostige -4°. Im Wartesaal vor dem Schacht, in dem wir nach unten fahren möchten, ist es ebenfalls bitter Kalt aber zum Glück brauchen wir nur eine halbe Stunde Schlange stehen bevor wir in den Korb steigen können der uns 700 Meter näher zum Mittelpunkt der Erde bringt. Im Korb wird es schon etwas Wärmer, liegt wohl dran das wir mit 15 Läufer incl. Gepäck in den Korb gepfercht werden. Die 4 Minuten Abfahrt vergehen im Nu und mit jedem Meter nach unten wird es immer wärmer. Als wir aussteigen stehen wir in einer riesigen Halle aus Salz und das Bergmanns-Orchester gegrüßt uns mit einem “Glück Auf, der Steiger kommt”. In einem Seitenstollen stehen Bierzelt-Garnituren bereit und wir können es uns erst einmal gemütlich machen, den Rucksack abstellen und eine Tasse Kaffee trinken. Die Organisatoren haben hier unten wirklich an alles gedacht. Es gibt eine Bar, einen Imbiss, Sani, eine Ausstellung über alles Mögliche was Bergbau betrifft…….

Ich ziehe meine Klamotten aus und bereite mich auf den Start vor, d.h. Fahrradhelm anziehen, Kopflampe anbringen, eine Bandage um meine rechte Ferse anlegen, denn die möchte immer noch nicht so wie ich es möchte. Dann gehe ich zum Start für die 4 Runden von je 10,6 Km und jeweils 350 Höhenmeter, oder sind es Tiefenmeter, Höhenmeter hört sich hier unten irgendwie blöd an?

Dann endlich der Start und alle rennen los doch nach 400 Meter immer leicht bergauf ist schon wieder Schluss. Dieses Teilstück wird nicht gewertet denn ansonsten kommt man nicht auf 42,195 Km. Dann der richtige Start und es geht 2,5 Km fast ständig bergauf zum ersten Verpflegungspunkt. Bei einem Blick auf meine Pulsuhr sehe ich dass das Laufen hier unten anders ist als über Tage denn mein Puls steigt in ungewohnte Höhen. Es gibt zwar einige Lampen hier unten doch ohne meine Helmlampe währe es extrem schwierig hier zu laufen. Der Untergrund ist uneben mit kleinen Schlaglöchern, loses Salz und oftmals glatte Stellen die wie Spiegel aussehen. An der ersten Verpflegungsstelle trinke ich im Vorbeilaufen einen Becher Wasser und mache mich weiter auf die nächsten 2,5 Km zur zweiten Verpflegungsstelle. Es geht fast ständig bergab, die Temperaturen steigen auf knappe 30°, die Luft wird immer stickiger und das Atmen fällt mir immer schwerer. Dazu kommt das die Luftfeuchtigkeit von 30% mir jeden Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper saugt und nach wenigen Meter der Mund und Rachen völlig trocken sind. An der zweiten Verpflegungsstelle kippe ich dann bereits einen Becher Tee und einen Becher Wasser in mich rein und weiter, 2,5 Km bis zur dritten Verpflegungsstelle. Es geht stetig bergauf, dieses Mal jedoch steiler, ca. 23%, und immer wenn ich denke ich bin oben geht es nach einer Kurve weiter bergauf. An der dritten Verpflegungsstelle trinke ich bereits einen Becher Tee und zwei Becher Wasser aber die Strecke wird ab jetzt etwas angenehmer, die Temperaturen sinken und die Luft wird besser. Dann kommt die Verpflegungsstelle Nummer Vier die sich im Zielbereich befindet, es ist die einzige Stelle an der uns einige wenige Zuschauer anfeuern.

Die Bedingungen hier unten sind extremer als ich es mir vorgestellt hatte, was einige Läufer bereits nach der ersten Runde zum Aufgeben zwingt. Ich gehe in die zweite Runde, das Feld ist mittlerweile weit auseinander gezogen und ich sehe erst jetzt das rechts und links der Strecke alle möglichen Maschinen und Fahrzeuge aus den Zeiten der DDR stehen, die hier unten einmal in Betrieb wahren. In einem Querstollen sehe ich wie die Kumpel Salz abbauen. Die Steigungen fallen mir von Runde zu Runde schwerer und meine Ferse macht sich mal wieder bemerkbar. Ich muss, sobald es bergab geht, Tempo rausnehmen und so geht es irgendwann in die vierte und letzte Runde. Als ich an die 23% Steilstrecke komme habe ich den Verdacht dass die Kumpel’s sie noch schnell etwas steiler gemacht haben. Sie hat dieses Mal gefühlte 100%, der Aufstieg wird zur Qual, aber in solchen Fällen heißt es auf die Zähne beißen, Ferse vergessen und weiter nach oben. Dann endlich, das Ziel, gleich hinter einer Kurve, erst 20 Meter vorher zu sehen und der tiefste Marathon der Welt ist geschafft.

Da ich leider keine Zeit habe kann ich nur kurz etwas trinken, bekomme meine schwer verdiente Medaille, schnappe mir mein Finisher-Shirt, endlich den Helm aus, Rucksack packen und ab zum Schacht. Auf dem Weg nach oben merke ich wie es deutlich kälter wird. Über Tage angekommen geht es bei 4° über einen Hof zur Bergmanns-Dusche. Nach einer Blitzdusche dann in Richtung Heimat denn ich muss heute Abend noch zur Barbara-Feier, passt irgendwie und gibt dem Ganzen noch den richtigen Abschluss.

Der Untertage-Marathon ist ein Erlebnis der besonderen Art der es Wert ist die unvorstellbaren Strapazen, Schmerzen und mentale Belastung auf sich zu nehmen. Es war bestimmt nicht das letzte Mal das ich mich in Sondershausen in die Haut eines Maulwurfs versetzt habe.

Glück Auf

Josef