Aus der WDR Fernsehsendung Quarks & Co.
Wer sich regelmäßig bewegt, tut seinem ganzen Körper etwas Gutes.
Gut 70 Prozent aller Krankheiten werden im Jahr 2020 durch unseren Lebensstil mit verursacht sein, schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Schon heute gilt insbesondere der Bewegungsmangel als zweithäufigste Todesursache in Europa. Studien zeigen, dass für etwa 27 verschiedene Erkrankungen von Bluthochdruck über Übergewicht und Zuckerkrankheit bis hin zu Herz-Lungenerkrankungen und sogar Krebs Sport die richtige Therapie ist. Unklar war aber bislang, warum körperliche Aktivität bei so vielen unterschiedlichen Erkrankungen so vorteilhaft ist. Erst seit kurzem beginnen die Forscher zu verstehen, dass der Muskel weit mehr ist, als ein reines Bewegungsorgan. Experten bezeichnen ihn inzwischen als größtes und wichtigstes Stoffwechselorgan unseres Körpers.
Wunderstoffe aus dem Muskel
Schon eine Stunde Joggen pro Woche halbiert das Risiko für Herzerkrankungen.
Skelettmuskeln senden bei körperlicher Aktivität eine ganze Reihe von Botenstoffen aus, die überall in unserem Körper wirken. Erst von gut einem Dutzend dieser sogenannten Myokine ist die Wirkweise bereits bekannt. Aber die Experten sind sich einig: Die Botenstoffe aus den Muskeln sind wahre Wunderstoffe für unseren Körper. Als Signalstoffe des Muskels fördern sie den Muskelaufbau und die Fettverbrennung. Einige Myokine wirken hormonähnlich, das heißt, sie werden zwar vom Muskel ausgeschüttet, wirken aber an weit entfernten Organen. So unterstützen die Myokine den Zuckerstoffwechsel: Sie steigern den Fettabbau und sorgen dafür, dass mehr Zucker in den Muskeln verbrannt wird. Das schont auf Dauer die Bauchspeicheldrüse. Und auch die Gefäße werden durch die Myokine beeinflusst: Die Botenstoffe aus dem Muskel sorgen dafür, dass die Gefäße dehnbarer bleiben und die Arterienverkalkung verzögert wird. Das schützt das Gehirn vor dem Schlaganfall und das Herz vor dem Infarkt.
Wirkung auf Körper und Geist
Auch das Gehirn profitiert vom Sport.
Das Gehirn galt lange Zeit als ein Gewebe, das durch körperliche Aktivität kaum beeinflussbar ist. Dass Sport auch gegen Demenz und Depressionen hilft, ist eine relativ neue Erkenntnis. Laut Studien senkt schon ein täglicher 15-minütiger Spaziergang das Risiko, an Alzheimer zu erkranken um 30 bis 40 Prozent. Verantwortlich für den positiven Effekt auf das Gehirn ist ebenfalls ein Botenstoff aus dem Muskel: der sogenannte Brain Derived Neurotropic Factor (BDNF). BDNF verhindert den Ab- und fördert den Aufbau von Nervenzellen und stimuliert die Ausbildung neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Interessant dabei: Menschen mit Depressionen oder Alzheimer-Demenz haben geringere BDNF-Spiegel als gesunde Probanden. Durch regelmäßige Bewegung können Sie ihre BDNF-Produktion steigern.
Hilfe gegen Diabetes
Den stärksten Effekt hat Sport auf den Zuckerstoffwechsel
Einer der wichtigsten Botenstoffe ist das sogenannte InterleukinInterleukin-6. Die Interleukin-6-Werte steigen beim Sport um das Hundertfache im Blut an. Interleukin-6 ist ein echter Tausendsassa. Es sorgt für eine höhere Aufnahme von Zucker aus dem Blut in den Muskel. Zusätzlich wird im Fettgewebe durch den Botenstoff die Fettverbrennung gesteigert und die Empfindlichkeit für das Hormon Insulin gesteigert. Beides sorgt dafür, dass der Muskel mehr Nährstoffe bekommt, hat aber auch Effekte auf die Gesundheit: Die Bauchspeicheldrüse muss nicht so viel Insulin produzieren, also das Hormon, das den Blutzucker senkt. So verringert sich das Risiko an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus zu erkranken. Außerdem wird die Gewichtsabnahme gefördert. Zusätzlich stimuliert Interleukin 6 aber auch die Bildung von Abwehrzellen unseres Immunsystems. Das hilft gegen Infekte und auch Tumorerkrankungen.
Forschung erst am Anfang
Noch steckt die Forschung an den Myokinen erst in den Kinderschuhen. Fast 400 Substanzen setzt der Muskel in Aktion frei. Ein Großteil dieser Stoffe ist noch unerforscht. Aber die unterschiedlichen Wirkungen der bereits bekannten Myokine scheinen endlich erklären zu können, warum Sport gegen so viele unterschiedliche Erkrankungen hilft. Und das Beste an dieser Wunderpille: Man kann sie sogar selber dosieren.
Myokine
Als Myokine werden Stoffe bezeichnet, die vom Muskel freigesetzt werden und im Körper hormonähnliche Wirkungen entfalten. Das bedeutet, dass sie an den Zellen bestimmter Organe an bestimmte, nur für sie vorgesehene Rezeptoren binden, ähnlich wie ein Schlüssel, der in ein bestimmtes Schloss passt. Durch diese Bindung werden in der Zelle dann spezifische Stoffwechselvorgänge in Gang gesetzt. Das Wort Myokin enthält den griechischen Begriff „Myos“ für Muskel.
Interleukin
Interleukine sind eine Gruppe von Botenstoffen, die unter anderem von den Zellen unseres Immunsystems gebildet werden. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Interleukine, die nach Reihenfolge ihrer Entdeckung nummeriert wurden. Ihre Wirkungen sind sehr unterschiedlich, allen gemein ist aber ein regulierender Effekt auf das Immunsystem, da sie die Kommunikation zwischen den weißen Blutkörperchen und anderen Immunzellen vermitteln.
Quelle: WDR Fersehen Quarks & Co